09.Februar 2018
Die Einkreisungslüge

von Torsten Mann

Auszug aus dem Buch Am Vorabend der Weltrevolution


Frage:
»Was ist die ›Einkreisungstheorie‹ die immer wieder vorgebracht wird?«

 

Torsten Mann:
Die auf der Einkreisungslüge basierende Agitation der sowjetrussischen Propaganda lässt sich etwa folgendermaßen zusammenfassen: Die Welt befinde sich in großer Gefahr, ein neuer Weltkrieg drohe, denn Russland werde von der NATO eingekreist, was Moskau zu einem legitimen »Präventivschlag« gegen den Westen »provozieren« könnte. Allein der »umsichtigen« und »geduldigen« Politik des Kreml sei es zu verdanken, dass der neue Kalte Krieg noch nicht in eine heiße Phase eskaliert sei. So, oder so ähnlich liest man es in letzter Zeit wieder häufig in den alternativen Medien, in den Publikationen der Friedensbewegung und natürlich in der offen kommunistischen Presse, die schon in früheren Jahrzehnten dafür bekannt war, die Propagandalügen des Kreml zu verbreiten.

Vor etwa fünfzehn Jahren traf ich zufällig auf einen ehemaligen Stasi-Mitarbeiter, der mir flüchtig erklärte, anhand welcher Kriterien man den Verbreitungsweg von Propaganda und Desinformation östlicher Geheimdienste erkennen kann. Leider ging der Kontakt zwar schnell wieder verloren, aber ich erinnere mich noch gut an seinen Rat, ich solle auf die Verwendung bestimmter Schlüsselphrasen achten. Die »Einkreisung Russlands« zum Beispiel ist eine solche Schlüsselphrase, ebenso wie die Begriffe »Provokation« oder »angloamerikanische Strategie«. Wenn mir inzwischen Publikationen begegnen, in denen von einer »angloamerikanischen Strategie zur Einkreisung und Provokation Russlands« die Rede ist, dann weiß ich sofort, woher der Wind weht und aus welcher Quelle das Material ursprünglich stammt, denn es trägt unverkennbar die Handschrift der sowjetrussischen Desinformation, für deren Verbreitung beim KGB im Jahr 1959 sogar eine eigene Abteilung gegründet wurde.




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Nach der Umgestaltung der Sowjetunion setzte diese Abteilung ihre Arbeit beim russischen Auslandsgeheimdienst SWR fort.[1] Ihre Zielsetzung besteht darin, die internationale Öffentlichkeit mit Lügenkampagnen systematisch irrezuführen und im Sinne des Kreml zu manipulieren. Insbesondere die »Einkreisung Russlands« durch die Westmächte ist ein Dauerbrenner der russischen Desinformation, deren Anfänge sogar bis zu Lenin zurückreichen. Schon in einem 1929 von der sowjetrussischen Propaganda in Deutschland herausgegebenen Atlas für Politik Wirtschaft Arbeiterbewegung findet sich neben einer Landkarte, welche »Die Isolierung der Sowjetunion in Europa« zeigt, auch eine Karte, die den Titel »Die Einkreisung der Sowjetunion durch den Britischen Imperialismus« trägt. Eine andere Landkarte zeigt unter der Überschrift »Das Rüsten zum nächsten Krieg« eine friedliche Sowjetunion, die von hochgerüsteten Staaten in Europa und Asien eingekreist und bedroht wird. Herausgegeben wurde dieser Atlas von Alex Radó, einem Politkommissar des ungarischen Räteregimes, der behauptete, dass die Initiative zur Herausgabe des Atlas auf ein Gespräch mit Lenin zurückgehe, der ihm persönlich bei der Zusammenstellung der Karten geholfen habe.[2]

Auch Stalin sprach schon seit den 1920er Jahren immer wieder von einer »kapitalistischen Einkreisung«, von der die Sowjetunion bedroht werde und mit der es auf Dauer keine friedliche Koexistenz geben könne. Dieser Linie blieb Stalin auch nach dem Zweiten Weltkrieg treu, da die »Gefahr einer Einkreisung Russlands« noch immer nicht beseitigt sei.[3] Insbesondere der Marshallplan sei ein Instrument der amerikanischen Aggression und ein »Schritt zur Einkreisung Russlands«.[4] An die Stelle des »Britischen Imperialismus« war in der kommunistischen Propaganda inzwischen der »US-amerikanische Imperialismus« getreten. Ganz ähnlich wie heute sprach die stalinistische Agitation auch damals davon, dass nicht Sowjetrussland nach Expansion strebe, sondern »die Vereinigten Staaten, die in der ganzen Welt Luftstützpunkte zur Einkreisung der Sowjetunion errichtet hätten«.[5] Das hatte den Kreml in den Jahren zuvor jedoch nicht davon abgehalten, halb Europa unter sein Diktat zu zwingen. Und auch in den folgenden Jahrzehnten störten die »aggressiven US-Militärbasen, welche das sowjetische Lager einkreisten« nur wenig beim Export der kommunistischen Revolution in alle Welt.[6] Die Einkreisungspropaganda nahm schon damals so absurde Formen an, dass die russische Bevölkerung sogar begann, Witze darüber zu machen. So wurden Ausländer zum Beispiel spöttisch als Angehörige von Völkern definiert, »die in fremden Ländern leben, welche die Sowjetunion einkreisen«.[7]

Zu Beginn der 1980er Jahre musste die »Militärpolitik der USA«, die auf die »Einkreisung der Sowjetunion« abziele, sowie ihre »Stützpunktpolitik im Indischen Ozean«, die eine »schwere Bedrohung der Sowjetunion« darstelle, dafür herhalten, von der sowjetischen Invasion in Afghanistan abzulenken bzw. sie zu rechtfertigen.[8] Explizit gab die KPdSU im Januar 1980 einen Handlungsplan heraus, der vorsah, mit der These zu argumentieren, »dass die militärische Hilfe der Sowjetunion für Afghanistan im Zusammenhang mit den bereits seit längerem von den USA unternommenen provokativen Versuchen zu sehen ist, einseitige militärische Vorteile in Gebieten zu erringen, die für die UdSSR von strategischer Bedeutung sind«.[9] Dieser Anweisung entsprechend brachte der sowjetische KGB-General und Oberste Berater der Internationalen Abteilung des ZK der KPdSU Nikolai Portugalow in einem Spiegel-Interview die sowjetische Invasion Afghanistans in Zusammenhang mit der amerikanischen »Einkreisung der Sowjetunion an allen Grenzen«.[10] Bei anderer Gelegenheit unterstellte KGB-General Portugalow in jenen Jahren eine »amerikanische hegemonistische Politik, die auf eine globale Überlegenheit und auf die Einkreisung der Sowjetunion gerichtet« sei.[11] Auch in den 1990er Jahren, also nach Gorbatschows »Umgestaltung« der Sowjetunion, blieb die Einkreisungslüge ein Dauerbrenner der sowjetrussischen Propaganda, zunächst als Argument gegen die Weiterexistenz der NATO, die nach den Plänen des Kreml hätte aufgelöst werden sollen, und anschließend gegen ihre Erweiterung nach Osten, die in Russland angeblich »die Angst vor Isolation und Einkreisung« schüre.[12]


Noch heute wird der NATO mit fast denselben Phrasen wie auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges unterstellt, eine Strategie der »Einkreisung Russlands« zu verfolgen, welche dazu diene, die »unipolare Herrschaftsposition« Amerikas bzw. die »alleinige Hegemonie der Supermacht USA« zu sichern. Gelegentlich wird dabei unter dem Schlagwort »Full Spectrum Dominance« ein militärtaktisches Einsatzkonzept der US-Armee wahrheitswidrig und irreführend als eine politische Strategie der US-Regierung zur Errichtung einer »amerikanischen Weltherrschaft« ausgegeben. In den letzten Jahren wurde die Einkreisungslüge zudem häufig im Rahmen der sowjetrussischen Kampagne gegen das geplante europäische Raketenabwehrsystem eingesetzt. Völlig faktenwidrig wird dabei behauptet, die »Einkreisung Russlands« durch amerikanische Abfangraketen verschaffe den USA die Möglichkeit, einen atomaren Erstschlag gegen Russland führen zu können, ohne einen russischen Gegenangriff befürchten zu müssen. Das geplante Raketenabwehrsystem der NATO, so heißt es, beseitige das System der »gegenseitigen atomaren Abschreckung«. Die dabei vorgebrachte Argumentation strotzt vor Lügen und Verdrehungen, denn Sowjetrussland hat nicht nur selbst schon vor Jahrzehnten ein eigenes ABM-System errichtet, sondern auch durch seine einseitige und ununterbrochene Entwicklung und Stationierung modernster Atomraketen längst die atomare Überlegenheit über die NATO erreicht. Somit wäre ein westliches ABM-System lediglich ein erster Schritt auf einem längeren Weg der Nachrüstung zur Wiederherstellung des strategischen Kräftegleichgewichts zwischen Ost und West.



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Die russische Kampagne gegen das europäische Raketenabwehrsystem dient also dazu, die strategische Überlegenheit Sowjetrusslands aufrechtzuerhalten und sichert dem Kreml auch zukünftig die Option zur atomaren Geiselnahme ganz Westeuropas. Wiederholte Drohungen von sowjetrussischen Politikern und entsprechende Warnungen sowjetischer Überläufer zeigen, dass die atomare Erpressung durchaus zu den Mitteln der Moskauer Strategie gerechnet werden muss. Ein europäisches ABM-System wäre daher dringend erforderlich, wenn Europa sich nicht vollständig der Willkür des Kreml ausliefern will.

Noch heute wird die Einkreisungslüge nicht nur in den russischen Staatsmedien sowie in offen kommunistischen Publikationen verbreitet, sondern nach wie vor auch in verdeckter Form in den Publikationen der Friedensbewegung und neuerdings auch in vielen »alternativen Medien«, die in Zeiten des Internets eine neue Ressource im Arsenal der sowjetrussischen Desinformation darstellen. Die Kontinuität, mit der altbekannte sowjetrussische Lügen von diesen angeblich unabhängigen Medien in neuer Aufmachung weiterverbreitet werden, zeigt, dass viele »alternative Medien« heute als Teil der Fünften Kolonne Moskaus zu betrachten sind. Dabei wird die Einkreisungslüge seit jeher sowohl von bewusst handelnden russischen Einflussagenten in Umlauf gebracht als auch von den unbewusst handelnden Vertretern jener Sorte von Zeitgenossen weitergetragen, die Lenin seinerzeit als »nützliche Idioten« bezeichnet hatte. Ähnlich wie die sowjetrussische Desinformation argumentiert inzwischen auch die rotchinesische Propaganda mit einer eigenen Variante der Einkreisungslüge, derzufolge die USA eine Politik zur »Einkreisung« Rotchinas betreiben, und auch die iranische Staatspropaganda stellt sich mittlerweile als das Opfer einer amerikanischen »Einkreisung« dar.

Tatsächlich ist die Behauptung, Russland werde durch amerikanische Stützpunkte eingekreist, strategischer Unsinn, wie das Beispiel Afghanistan deutlich zeigt. Schon frühzeitig hat der amerikanische Politologe Jeff Nyquist darauf hingewiesen, dass Afghanistan in strategischer Hinsicht ein sehr schlechter Stationierungsort für amerikanische Truppen ist, falls ein Krieg mit Sowjetrussland und Rotchina ausbricht. Denn alle Staaten, die an Afghanistan angrenzen und durch welche die so wichtigen Nachschubwege verlaufen, sind dem östlichen Lager zuzurechnen, was nicht nur für die »ehemaligen« Sowjetrepubliken gilt, sondern auch für den Iran und das mit Rotchina verbündete Pakistan. Um die in Afghanistan stationierten Truppen versorgen zu können, ist die NATO somit von der Willkür Moskaus und Pekings abhängig. Ähnliches gilt für viele andere dieser sogenannten »Einkreisungsbasen«, aus denen jeweils ein neues Stalingrad zu werden droht, wenn es in einem potentiellen Ernstfall nicht mehr versorgt werden kann. Dass diese Einschätzung tatsächlich korrekt ist, zeigte sich im April 2014, als die russische Staatspropaganda triumphierend verkündete, dass Präsident Putin jeglichen Transport von NATO-Militärgütern über russisches Staatsgebiet untersagt habe, wodurch der Abzug der US-Truppen aus Afghanistan für die NATO und die USA zu einem »logistischen Alptraum« geworden sei. Wörtlich hieß es: »Das US-Militär lernt auf die harte Tour aus seiner langen Erfahrung in Afghanistan, dass es weitaus einfacher ist, sich in einem ausländischen Abenteuer zu verzetteln, als sich daraus wieder herauszuziehen. Eingeschlossen, isoliert und auf allen Seiten von potentiellen Feinden umzingelt, ist der Abzug von Truppen und Ausrüstung aus dem zentralasiatischen Land bis Ende 2014 für Washington mit zahlreichen Hindernissen besetzt.«[13] Eine nüchterne Analyse der Fakten zeigt, dass von einer Einkreisung Russlands durch die in Zentralasien stationierten US-Truppen keine Rede sein kann. Vielmehr ist es genau umgekehrt, die dortigen NATO-Kontingente sitzen in einer durch die strategische Inkompetenz der westlichen Politik selbst verursachten Falle.


Der russische Regimegegner Wladimir Bukowski hatte schon 1982 erklärt, dass der Kreml die Einkreisungslüge seit Jahrzehnten dazu benutzt, seine ungeheuerlichen Militärausgaben zu rechtfertigen und dem russischen Volk »eine pathologische Furcht vor der kapitalistischen Welt einzuflößen«.[14] Noch heute dient sie dazu, das russische Volk gegen ein westliches Feindbild aufzuhetzen und einen Vorwand für die massive Militarisierung des russischen Staates zu liefern. Gleichzeitig fordert Moskau die westlichen Staaten damit zu einer Appeasement-Politik gegenüber Sowjetrussland auf und leider ist die westliche Politik auch dumm genug, darauf hereinzufallen, was sich in politischen Beschlüssen äußert, die von dem Gedanken motiviert sind, Moskau nicht durch Maßnahmen zu provozieren, die im Sinne einer vernünftigen Verteidigungspolitik eigentlich dringend geboten wären. Schon in früheren Jahrzehnten war die Einkreisungslüge, wie Bukowski schrieb, zu diesem Zweck sehr geschickt eingesetzt worden und »westliche Regierungen erlaubten es den Sowjets unter ihrem Einfluss bewusst, militärische Überlegenheit zu erringen«.[15] In Zeiten, in denen die westliche Verteidigungsfähigkeit immer weiter reduziert wird, so dass Westeuropa schon bald als quasi entmilitarisierte Zone betrachtet werden muss, gelingt es Moskau unter Verweis auf seine angebliche Einkreisung zum Beispiel, Atomraketen im russisch besetzten Ostpreußen zu stationieren, die Mitteleuropa bedrohen, ohne dass sich Widerstand dagegen regt. Anstatt mit Empörung und Besorgnis darauf zu reagieren, zeigt eine desinformierte westliche Öffentlichkeit zunehmendes Verständnis für diesen offensichtlichen Akt nackter Aggression, der den Beginn eines neuen Wettrüstens signalisieren könnte, welches von Moskau laut Überläuferberichten bewusst geplant ist.



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In letzter Konsequenz ist der beunruhigendste Aspekt der Einkreisungslüge die Tatsache, dass sie grundsätzlich nicht nur die psychologische Grundlage für einen neuen Kalten Krieg schafft, sondern im Sinne proaktiver Desinformation auch für einen Angriffskrieg, den der Kreml vor ihrem Hintergrund jederzeit als Präventivschlag ausgeben könnte. Genau diesen Zweck verfolgte die Einkreisungslüge auch schon zu Stalins Zeiten, als dieser einen Angriff auf Westeuropa plante.[16]

Während die sowjetrussische Propaganda die Öffentlichkeit über Jahrzehnte hinweg mit der angeblichen »Einkreisung Russlands« zu blenden versuchte, exportierte Moskau den Kommunismus in alle Welt, und zwar sowohl in Form von Revolutionen und Bürgerkriegen in die Entwicklungsländer, als auch in die westlichen Staaten durch die schleichende Zersetzung der bürgerlichen Gesellschaftsordnung. Hinter der Einkreisungslüge verbirgt sich somit die altbekannte marxistische Taktik, das Opfer zum Täter zu erklären. Wladimir Bukowski schrieb schon 1982, man müsse »bloß eine Weltkarte anschauen, um zu sehen, wie lächerlich diese Theorie [der Einkreisung Russlands] ist. Können wir ehrlich glauben, die armen Kommunisten im Kreml seien so verängstigt, dass sie sich schützen müssen, indem sie Truppen nach Kuba schicken, und kubanische Truppen nach Angola? Indem sie militärische Ausrüstung und Berater nach Äthiopien und Vietnam schicken, und danach vietnamesische Truppen nach Kambodscha? Schauen Sie die Karte nochmals an: Es ist ganz und gar nicht offensichtlich, dass die UdSSR von feindlichen Mächten umzingelt wäre. Eher umgekehrt: Die westliche Welt ist von den Horden der Kommunisten umzingelt. (...) Nein, es ist nicht die Furcht vor einer Invasion oder ein Katzenjammer vom Zweiten Weltkrieg her, was die sowjetischen Machthaber veranlasst hat, seit bereits einem halben Jahrhundert gegen die ganze Welt einen nichterklärten Krieg zu führen. Es ist ihre – alle fünf Jahre, an jedem Parteikongress seit Beginn dieses Jahrhunderts, offen kundgetane – selbstgewählte Verpflichtung, die ›Kräfte des Fortschritts und des Sozialismus‹ zu unterstützen, den ›Befreiungsbewegungen‹ überall auf dem Globus beizustehen.«[17]

Auch der in die USA übergelaufene KGB-Offizier Yuri Bezmenov, der zuvor bei der sowjetrussischen Nachrichtenagentur Novosti für die Verbreitung von Propaganda und Desinformation zuständig war, stellte im Jahr 1984 fest, dass es in Wirklichkeit die USA sind, die seit Jahrzehnten mehr und mehr isoliert werden, was einerseits auf die kommunistische Subversion Moskaus zurückzuführen ist, andererseits aber auch durch die US-Politik selbst verschuldet wird: »Auf dem Gebiet der auswärtigen Beziehungen wird Amerika weiter und weiter in den Isolationismus und Defätismus getrieben. Die wenigen verbliebenen Verbündeten blicken mit Horror auf das Schicksal jener Nationen, die von den USA verraten und verlassen wurden und die versuchen ›ihren eigenen Weg‹ zu finden, was häufig darauf hinausläuft, ›freundschaftliche Beziehungen‹ mit der UdSSR und ihrem kommunistischen Imperium einzugehen. Die aggressive Einkreisung Amerikas schreitet mit immer schnellerer Geschwindigkeit voran und die demoralisierten Politiker sind nicht länger fähig oder willig sich der unvermeidbaren Realität zu stellen.«[18] Leider hat die amerikanische Politik tatsächlich seit Jahrzehnten die unheilvolle Tendenz, ihre ausländischen Verbündeten zu verraten und im Stich zu lassen, wie es mehrfach in Ostasien, Afrika, Lateinamerika und im Nahen Osten geschehen ist

Wie der tschechoslowakische General Jan Sejna im Jahr 1982 bestätigt hat, war es tatsächlich seit Ende der 1950er Jahre die erklärte Absicht Moskaus, die USA im Rahmen der sowjetischen Langzeitstrategie unter vorübergehender Vermeidung einer direkten Konfrontation von ihren Verbündeten in Europa abzukoppeln und durch die Errichtung moskaufreundlicher Regime in aller Welt politisch und wirtschaftlich zu isolieren.[19] Jahrzehnte später muss man angesichts der zahlreichen antiamerikanischen Revolutionen, Umstürze und Bürgerkriege, welche vor allem die Entwicklungsländer seither erschüttert haben und unter deren Folgen diese Länder noch heute leiden, feststellen, dass General Sejna Recht hatte. Jeff Nyquist kommentierte hierzu im Jahr 2003: »In Wirklichkeit ist der Kommunismus 1991 nicht untergegangen. Er änderte lediglich seine Schlachtordnung. Man könnte sogar sagen, er veränderte sein Erscheinungsbild. Vor diesem Hintergrund erkennen die Nordamerikaner erst sehr langsam die Einkreisung, die gegen sie betrieben wird. Ja, Lateinamerika wurde unterwandert und weitgehend umgestürzt. Kolumbien kämpft für seine Freiheit gegen einen kommunistischen Aufstand. Venezuela, Kuba und Brasilien schlossen sich zu Hugo Chavez’s sogenannter ›Achse des Guten‹ zusammen – einer Art westlicher Fortsatz der ›Achse des Bösen‹. Die westliche Hemisphäre wird direkt vor unseren Augen zersetzt. Während wir von den Ereignissen in Afghanistan, im Irak und in Nordkorea abgelenkt werden, bildet sich an unserer Hintertür eine feindliche Allianz.«[20]


Doch die Bedrohung erwächst nicht nur daraus, dass in aller Welt immer mehr antiwestliche und moskaufreundliche Regime sich zu einer Art neuem Ostblock zusammenschließen, bestehend aus der BRICS-Gruppe, der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) oder der geplanten Eurasischen Union sowie zahlreicher bilateraler Bündnisse wie etwa zwischen Moskau und Teheran, oder Moskau und Pjöngjang, sondern vor allem durch die schleichende Zersetzung der westlichen Gesellschaftsordnung, welche durch die eigens initiierte 68er-Bewegung begann und deren Auswüchse inzwischen unter anderem die Form der planwirtschaftlichen Ökobewegung, des familienfeindlichen Feminismus oder der defätistischen Friedensbewegung angenommen haben. Ähnliches gilt für die von kommunistischen Strukturen geförderte Überfremdung der westlichen Nationalstaaten. Wer vor dem Hintergrund des schleichenden globalen Sozialismus, der seit Anfang der 1990er Jahre sowohl mit der europäischen Integration als auch mit dem damals gestarteten Rio-Prozess zu internationaler Rechtsverbindlichkeit erklärt wurde, noch von einer »Hegemonie der Supermacht USA« spricht, beleidigt die Intelligenz jedes selbständig denkenden Menschen.




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[1] Comrade J S.194f
[2] Alex Radó, Atlas für Politik Wirtschaft Arbeiterbewegung, Bd. 1 Imperialismus
[3] Die Zeit 1/1947
[4] Krieger und Gelehrte S.90
[5] Neues Deutschland 10.3.1949 S.1
[6] Why the Soviets violate Arms Control Treaties S.59
[7] No Novosti is good news S.45
[8] CDU-Dokumentation 34/1980 / Pazifisten gegen den Frieden S.23f
[9] Abrechnung mit Moskau S.407f
[10] Der Spiegel 24/1980
[11] Der Spiegel 23/1980
[12] Der Spiegel 15/1995 / Der Spiegel 39/1996 / Der Spiegel 42/1997
[13] rt.com 11.4.2014 - Pentagon ponders ‚logistical nightmare‘ Afghan withdraw
[14] Pazifisten gegen den Frieden S.41ff
[15] Pazifisten gegen den Frieden S.41ff
[16] news.bbc.co.uk 25.2.2003 - BBC: Wurde Stalin vergiftet, um den dritten Weltkrieg zu verhindern?
[17] Pazifisten gegen den Frieden S.41ff
[18] Love letter to America S.42f
[19] We will bury you S.103
[20] Financialsense Jeff Nyquist 07.01.2003 - Latin America’s Red Axis



T
orsten Mann, Jahrgang 1976, ist politischer Publizist. Er vertritt die These, dass der Kommunismus zu Beginn der 1990er Jahre nicht untergegangen ist, sondern unter Beibehaltung seiner Ziele lediglich eine planmäßige Umgestaltung seiner Methoden vorgenommen hat.

 

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